Montag, 17. Januar 2011

PRAKTIKEN

Fundstück vor zwei Jahrzehnten: Michel de Certeaus Kunst des Handelns (L'Invention du quotidien 1, Arts de faire, 1980; aus dem Französischen von Ronald Voullié, Berlin 1988, Merve). Der Plural von 'Praxis' hatte damals etwas Befreiendes, Zuversicht stiftendes…

Gehen, Reisen, Denken, Erzählen, Sprechen… – alltägliche Praktiken; Handlungsmuster, Umgangsformen, Vorgangsweisen, Prozeduren als die bewegten und bewegenden Elemente einer Gesellschaft, die in ihrem Zusammenwirken Kultur hervorbringen. Sie sind aus zahllosen Ritualen, Automatismen, Fabulationen, Improvisationen, Querschüssen, Regelbrüchen etc. zusammengesetzt und entziehen sich der restlosen Plan- oder Steuerbarkeit. Sie sind dem Zufall oder dem günstigen Moment näher verwandt als der „bewussten“ Strategie. Sie bergen Potenziale der Veränderbarkeit und bilden womöglich die Knoten eines „Netzes der Antidisziplin“.

Bilder, Bücher, Blogs, Filme, Gesichter, Orte etc. lesen:
Umherwandern im vorgegebenen Zeichensystemen, ihre provisorischen Ordnungen unterwandern, das Netz aus Bedeutungen jeweils neu erfinden, nicht nur rekonstruieren; jede Lektüre verändert ihren Gegenstand usw. usf.

Bilder, Bücher, Blogs, Filme, Gesichter, Orte etc. (be)schreiben:
eine Aneignung, Festsetzung, Gleichschaltung vornehmen, die Machtgeste vollziehen:

Die Praktiken des Schreibens sind für Certeau durch zwei vorgängige Hierarchisierungen geprägt, durch die Entwertung des gesprochenen Worts zugunsten des geschriebenen, und durch die Entwertung der Tätigkeit des Lesens, die lange als passives Konsumieren verstanden wurde, zugunsten des aktiven Schreibens.

Michel de Certeau, Kunst des Handelns (L'Invention du quotidien, 1980), Berlin: Merve, 1988; S. 306 (Detail).

Schreiben: konkrete Aktivität, die darin besteht, in einem eigenen Raum, auf einer Seite, einen Text zu konstruieren, der auf die Außenwelt einwirkt, von der er sich zunächst abgesondert hat. – Auf dem Nicht-Ort Papier realisiert sich das „Modell einer produzierenden Vernunft“. – Der Text ist immer schon die grundlegende und allgemeine Utopie des modernen Abendlandes. – "Indem das Schreiben die Macht zur Akkumulation des Vergangenen und zur Anpassung der Alterität des Universums an seine Modelle vereint, ist es kapitalistisch und eroberungslustig…"

WASCHZETTEL

Das Getümmel an den Rändern des Wahrnehmungsfeldes:
von den Bildern, Büchern, Gesprächen, Ereignissen, die trotz allem Aufmerksamkeit erregen

HINWEIS

BILDFELD

filmbilder_leser

DAUMENORAKEL

In der Poesie ist immer Krieg. Nur in Epochen gesellschatlichen Idiotismus tritt Friede oder Waffenruhe ein. Wortstammführer rüsten wie Heerführer zum wechselseitigen Kampf. Wortwurzeln bekriegen sich in der Dunkelheit, jagen sich gegenseitig die Nahrung ab und die Säfte der Erde. (…)

Ossip Mandelstam, Notizen über Poesie (1923)

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Zuletzt aktualisiert: 22. Jun, 00:49

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