Sonntag, 27. Februar 2011

AUFSCHRIFTEN

Aussetzung der Zuversicht: "Fremdenpaket"

Vom Urban Loritz-Platz aus nicht sichtbar, aber nur ein Steinwurf von hier entfernt: die verwirrende symmetrische Aufschrift an der östlichen Seitenflanke der Hauptbücherei – ein Wortkunstwerk Heinz Gappmayrs, visuelle Poesie:

In großen Lettern ist dort das Wort ECHO zu lesen. Nach dem zentralen O wiederholt sich – in Spiegelschrift – der Wortteil ECH. Das Kunst-Wort entwickelt nicht nur ,optischen Hall‘, es bringt einem unwillkürlich den Gehörsinn zu Bewusstsein: was spricht, singt, lärmt oder hallt hier? Zugleich baut es eine Brücke zur antiken griechischen Mythologie, zur Nymphe Echo, die im Zuge einer göttlichen Intrige zum Schweigen gebracht wurde: Danach konnte sie keinen eigenen Satz mehr formulieren, sondern nur noch die letzten Silben des gerade Gehörten wiederholen.

Es heißt, Gappmayrs minimalistisches Kunstwerk sei auch als kritischer Kommentar zur aktuellen Verfassstheit der österreichischen Sozialdemokratie zu lesen. Auch sie scheint nicht mehr in der Lage, eigene Setzungen zu äußern, sondern muss sich darauf beschränken, silbenweise nachzusingen, was sie via Yellow Press, die hierzulande sehr mächtig ist, oder beim politischen Gegner zufällig aufschnappt.

(Das konservative Lager wird im sarkastischen Gassengespräch erst gar nicht mehr erwähnt. Von ihm weiß man, dass es seit jeher doppelzüngig und zynisch agiert. Sowohl das christliche als auch das soziale Motiv dienen ihm ausschließlich zu taktischen Zwecken. Wenn man ihm eine Wiener Aufschrift zuordnen wollte, müsste es wohl Lawrence Weiners Schriftzug am Flakturm im nahe gelegenen Esterhazypark sein:
„Zertrümmert in Stücke / In der Stille der Nacht.“
Das fehlende Subjekt des Satzes wäre dann: die politische Kultur.

Nachdem die umstrittene schwarz-blaue Regierung im Februar 2000 auf unterirdischem Weg zur Angelobung in die Präsidentschaftskanzlei geschritten, geseppelt oder gelurcht war – Hallen der Schritte im Kellergewölbe, Knarren selten benutzter Türen… –, gab es von Kanzler Schüssel gebetsmühlenartig diesen einen Satz zu hören:
„Messt uns an unseren Taten“.
Erst aus dem Abstand der Geschichte lassen sich die Chuzpe und bestechende Offenheit seiner Worte ermessen. Kein Mensch hätte damals daran gedacht, dass Schüssel tatsächlich den strafrechtlichen Terminus von ,Tat‘ im Sinn gehabt hat.)

Über der nüchternen, bewegten, vielsprachigen Schönheit des Urban Loritz-Platzes hängt – bedrohlich tief in diesen Tagen – das Damoklesschwert einer geschlossenen und korrupten Gesellschaft.

Wo der hässliche Österreicher die Bühne betritt, kommt Zuversicht rasch an ihr Ende. Am Dienstag hat er sich ein Denkmal gesetzt: Das so genannte Fremdenpaket hat – nach halbherziger kosmetischer Behandlung (Euphemisierung) und mit sozialdemokratischer Unterstützung – den Ministerrat passiert…

Wenn es nicht so grausam und menschenverachtend wäre: Der gesamte Platz müsste in lautes Gelächter ausbrechen.
Fundsteller - 27. Feb, 02:20

grasfüße - 24. Feb, 16:08

Vielleicht geht ein vielstimmiger Echoraum auf, wenn sich das Lächeln der Einen (S. Testud) und das schallende Gelächter der vielen aufeinander zu beziehen beginnen?

WASCHZETTEL

Das Getümmel an den Rändern des Wahrnehmungsfeldes:
von den Bildern, Büchern, Gesprächen, Ereignissen, die trotz allem Aufmerksamkeit erregen

HINWEIS

BILDFELD

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DAUMENORAKEL

In der Poesie ist immer Krieg. Nur in Epochen gesellschatlichen Idiotismus tritt Friede oder Waffenruhe ein. Wortstammführer rüsten wie Heerführer zum wechselseitigen Kampf. Wortwurzeln bekriegen sich in der Dunkelheit, jagen sich gegenseitig die Nahrung ab und die Säfte der Erde. (…)

Ossip Mandelstam, Notizen über Poesie (1923)

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